Usbekistan - zwischen gestern und morgen
Das Land versucht sich zu positionieren
zwischen den USA, Rußland und seinen mittelasiatischen Nachbarn. Die
USA sind ein Bündnispartner der usbekischen Regierung, auch wenn die
Beziehungen in letzter Zeit etwas angespannt sind. Nach innen scheint
die Positionierung schon gelungen zu sein. Die meisten Russen und Deutschen
sind ausgewandert, obwohl man sich ihnen gegenüber mehr oder weniger
tolerant erweist. Fast alle Beschriftungen sind auf usbekisch. Russisch
ist nicht mehr so häufig auf den Straßen zu hören. Nach den ersten Jahren
der Unabhängigkeit scheint jetzt Alltag in der Republik eingekehrt zu
sein. Nichtsdestotrotz ist Usbekistan weiterhin ein spannendes und wunderschönes
Reiseziel.
Taschkent - Die Stadt der Tausend
Brunnen
Die Hauptstadt Usbekistans mit ihren 2,4
Millionen Einwohnern ist noch immer eine russische Stadt, geprägt vor
allem durch die sowjetische Architektur der 70er Jahre. 1966 mußte Taschkent
(usbekisch Toshkent) nach einem verheerenden Erdbeben wieder aufgebaut
werden. Durch die Bauprojekte der letzten Jahre wird versucht, der Stadt
ein modernes und usbekisches Gesicht zu geben. In Taschkent ist die
Spannung zwischen Europa und Orient am besten spürbar. Hier beobachtet
man verschleierte und knappe Designermode tragende junge Frauen nebeneinander.
Nicht weit von den Lehmhäusern der Altstadt steht der neue gläserne
Sportkomplex des Präsidenten. Taschkent liegt in den westlichen Ausläufern
des Tienshan - bei klarem Wetter kann man die schneebedeckten Gipfel
sehen - in der vom Fluß Chirchik bewässerten Oase und dehnt sich auf
220 Quadratkilometern aus. Es ist eine warme Stadt, sieben Monate gibt
es keinen Frost, auch nur wenig Schnee. Die Temperaturen erreichen Höchstwerte
bis zu 44 Grad, im Winter aber auch Tiefstwerte bis zu - 30 Grad. Die
meisten Niederschläge fallen im Winter und Frühling.
Das Fergana-Tal
Das Fergana-Tal ist nicht so malerisch, wie es sein Name verspricht.
In erster Linie ist es eine landwirtschaftliche Nutzfläche und ein Industriegebiet.
Zwar gibt es idyllische Wandergebiete, aber insgesamt ist die Landschaft
eher eintönig. Das Tail ist riesige Schale, umgeben von Bergen. Inzwischen
ist die Schnellstraße Taschkent-Fergang fertiggestellt. Es bleibt jedoch
eine weite Strecke, weshalb die meisten Gäste mit dem Flugzeug nach
Fergana reisen. Es gibt riesige Obst- und Gemüseplantagen. Babur, der
erste Großmogul, sagte über seine Heimat, das Fergana-Tal: "Getreide
und Obst (gab es) im Überfluß" und "die Fasane (waren) so
unglaublich fett, daß man sagt, vier Leute könnten einen mitsamt Reis
und gekochtem Gemüse nicht aufessen." Im Fergana-Tal wird Seide
und Wein angebaut, Melonen und Kürbisse wachsen hier, aber auch Erdöl
wird gefördert und Dünger produziert. Das Tal wird durch die Bergketten
Kuramin und Tschatkall vor kalten Nordwinden geschützt. Alai und Turkestan
halten warme Winde aus dem Süden ab. Nur im Westen durch das Tor von
Khodjent kommen die Winde ins Tal. In der Zarenzeit war das Tal ein
beliebter Kurort. Heute finden sich in den Städten viel sowjetische
Industrie und wenig Natur. Die einzige Stadt, die etwas sehenswert ist,
ist Kokand (usbek. Kukon). Die beste Besuchszeit ist August und September.
Man kann viel wandern, darf aber keine guten Hotels oder gar ausgezeichnete
Wanderwege erwarten, auch Wanderkarten gibt es nicht. Es ist zwar möglich,
auf eigene Faust mit dem Flugzeug, Bus oder mit dem Taxi ins Fergana-Tal
zu fahren - einfacher ist es jedoch, es organisieren zu lassen, so kommt
man nämlich zu den schönen Aussichtspunkten, die man alleine nicht findet
oder nicht erreicht.
Samarkand - Das glanzvolle Antlitz der Erde
Neue archäologische Ausgrabungen belegen, daß Samarkand (usbek. Samarqand)
über 2.700 Jahre alt ist. Samarkand - früher als Marakanda bekannt -
war die Hauptstadt von Sogdien, wurde 329 von Alexander dem Großen eingenommen
und stand danach immer wieder unter der Herrschaft verschiedener Eroberer.
Samarkand überlebte den Einmarsch und die Zerstörungen durch die Truppen
von Dschingis Khan. Nach einer Revolte gegen die mongolischen Unterdrücker
begann Samarkand unter Timur und seinen Söhnen - allen voran der geniale
Astronom Ulug'bek - seinen Aufstieg zur wichtigsten Kultur- und Handelsstadt
in Mittelasien. Die Architekturdenkmäler, für die Samarkand berühmt
ist und die noch heute wirken wie aus 1001 Nacht , entstanden zwiscen
dem 15. und 17. Jahrhundert. "Man sagt", schreibt ein unbekannter
Dichter, "daß man durch die ganze Welt reisen kann, sich die Pyramiden
anschauen und das Lächeln der Sphinx bewundern kann. Du kannst das weiche
Singen des Adriawindes hören und ehrfurchtsvoll vor der Akropolis knien,
du kannst von Rm und seinem Collosseum gefangen sein, entzückt sein
von Notre Dame in Paris oder dem alten Mailänder Dom. Aber wenn Du einmal
Samarkand gesehen hast, wirst Du immer von seiner Magie verzaubert bleiben."
Das Samarkand der damaligen Zeit trug die Beinamen "des Planeten
herrlichstes Antlitz" oder "glanzvolles Antlitz der Erde".
Marco Polo (1254-1324), der, so vermuten neuere Forschungen, nie in
China war und nur bis Samarkand gekommen sein soll, schreibt in Kapitel
52 seines Reiseberichtes: "Samarkand ist eine vornehme Stadt, geschmückt
mit schönen Gärten und umgeben von einer Ebene, in der alle Früchte
wachsten, die man sich nur wünschen kann. Die Einwohner, teils Christen,
teils Mohammedaner, sind dem Neffen des Groß-Khans untertan; dennoch
sind die Beziehungen zwischen beiden Parteien nicht freundschaftlich,
sondern es herrscht ein ständiger Kampf und Krieg." Im 18. Jahrhundert
begann der Überfall der Schaibaniden, der eigentlichen Vorfahren der
heutigen Usbeken, der Niedergang Samarkands; in der Zeit von 1720 bis
1770 war die Stadt sogar gänzlich unbewohnt. Erst nachdem Samarkand
1887 unter russischer Herrschaft eine Provinzhauptstadt mit Eisenbahnanschluß
wurde, konnte sich Samarkand wirtschaftlich erholen. Heute hat die Stadt
Samarkand 372.000 Einwohner. Das moderne Samarkand teilt sich in zwei
Teile. Das eigentlich städtische Leben findet in dem einst von Russen
geplanten Stadttel statt. Wie in St. Petersburg laufen drei Straßen
auf einen zentralen Platz zu. Leider ist dieser Platz, heute heißt er
Unabhängigkeitsplatz, leer und sehr baufällig. Weiter westlich, auch
noch im russischen Teil der Stadt, liegen die großen Gschäfte, moderne
Cafes, Sportstadien und Bürogebäude. Auch die Universität liegt in diesem
Stadtteil. In Samarkand gibt es eine große Brauerei und mehrere Unternehmen
der Leichtindustrie. Das kulturelle Leben ist mehr oder weniger der
Videounterhaltung gewichen, im Opernhaus werden nur touristischen Vorstellungen
gegeben. Der andere Teil mit einem anderen Gesicht ist das Gelände,
auf dem sich die Altstadt befand. Abends kann man sich hier in den Teehäusern
amüsieren, ein besonders eindrucksvolles im Kolonialstil mit echten
Geiern und anderen Vögeln befindet sich an der Registonskaya, gegenüber
dem Registan. Das heutige Samarkand wäre, würden nicht überall die blauen
timuridischen Bauwerke blitzen, eine langweilige, zerrissene Stadt,
mit wenig Atmosphäre. Da aber die Architektur allgegenwärtig ist, wirkt
die Stadt majestätisch und äußerst einladend. Gebirgszüge umgeben die
Stadt als weit geschwungener Bogen im Norden Osten und Süden. Es sind
die Ausläufer der Gribirgszüge des Pamiro-Altai, Turkesten und Serafshan.
Samarkand lieg 725 Meter über dem Meeresspiegel. Im Sommer kann es hier
bis zu 45 Grad heiß werden, der trockene Frost im Winter läßt Temperaturen
bis - 25 Grad zu.
Shaxrisabz
Wenn man dem Verlauf der großen Seidenstraße über das Serafashangebirge
folgt, kommt man durch das Dörflein Amakutan und kann im Schatten weißer
Akazien ausuhen. Hier befand sich der Sitz von General Abramov, dem
ersten russischen Herrscher über Samarkand. In der Nähe, hinter dem
Jugendcamp, befindet sich eine 80 m tiefe Höhle, die tiefste in Mittelasien.
Hier fand der russische Archäologe Lev die Überreste einer paläolithischen
Siedlung. Die Straße erreicht die Paßhöhe bei 1.675 Metern und bietet
ein schönes Panorama auf das Kashkadarja-Tal und die alte Stadt Shaxrisabz.
Durch Kitab - hier kann ein Observatorium besichtigt werden - gelangt
man nach Shaxrisabz. Shaxrisabz liegt, wenn man um die Bergkette herumfährt,
160 Kilometer von Samarkand entfernt. Fährt man über den Paß, sind es
nur 80 Kilometer. Die "grüne Stadt", wie der Name übersetzt
lautet, ist die Geburtsstadt Timurs. In seiner Zeit war sie als Kesch
oder Quix, wie sie Clavijo, der Gesandte des kastilischen Königs nennt,
bekannt. Timur wurde in der Nähe der Stadt geboren und hat sie als Sitz
seines Sommerpalastes Oq Saray auserkoren. Die Stadt hat heute 60.000
Einwohner. Besonders auf dem zentralen Platz vor den Ruinen des großen
Palastes herrscht immer ein reges Treiben. Hier kann man mit ein wenig
Glück einen traditionellen Hochzeitszug sehen oder sich in einer der
vielen Teestuben ausruhen. Den besten Blick über die Stadt hat man vom
Riesenrad, das sich in den Palastruinen befindet. Es wirkt zwar etwas
desolat (eine Fahrt kostet 100 Sum), aber man hat einen exklusiven Blick
auf das Portal und kann die Dimensionen erst richtig erahnen.
Buchara - eine Oase in der Wüste
Inmitten von Wüstensand liegt die Oase Buchara. Baumwollfelder, Weideplätze
und Obstplantagen umgeben die Stadt. Sie trotzt dem Sand und den Wanderdünen
der Kizilkum. Das Gebiet Buchara nimmt fast ein Drittel der Gesamtfläche
Usbekistans ein, allerdings leben hier nur acht Prozent der Bevölkerung
(ca. 260.000 Einwohner). 300 Tage im Jahr scheint in der Region die
Sonne. Die Hauptwasserader der Oase und der Stadt ist der Fluß Serfashan,
dessen Wasser restlos zur Bewässerung der Oase dient und der dann, ohne
den Amudarja zu erreichen, im Sande versichert. Aus Sanskrit bedeutet
Buchara "Kloster", und einst war die Stadt eines der finanziellen
Zentren und wichtiger Warenumschlagplatz der Großen Seidenstraße. Ein
intensiver Fernhandel verband Buchara mit Persin, China, Indien und
Rußland. Aber auch venezianische Kaufleute kamen hierher, um mit orientalischen
Gewürzen, Seidenstoffen, Pelzen, Goldstickereien und Goldschmiedearbeiten
zu handeln, nicht zuletzt dadurch konnte sich die entfalten: seit dem
Mittelalter gelangte sie neben ihrer Bedeutung als wichtiger Handelsort
auch zu kultureller und wissenschaftlicher Blüte. Berühmte Dichter wie
Rudaki und Dakhti und auch der Mediziner Avicenna lebten und lehrten
im "weisen" Buchara. Auch Sheikh Bahaudin Nahsbandi lebte
hier im 15. Jahrhundert. Der von ihm geprägte Glaube, der Nahshbandisma,
breitete sich bis in die Türkei, den Iran, den Kaukasus, nach Indien
und Afghanistan aus. Die meisten der über 140 Baudenkmäler stammen aus
der Zeit der "ersten" Usbeken, der Schaibaniden. Sie prägten
das auch heute noch vorhandene Gesicht der Altstadt mit ihren Medresen,
Moscheen und Basaren. In den Gassen der Altstadt scheint die Vegangenheit
greifbar zu werden. Die meisten Einwohner Bucharas leben in der sowjetischen
Neustadt. Sie ist großzügig angelehnt, allerdings mit vielen Hochhäusern.
In den letzten Jahren der Unabhängigkeit hat man versucht, einen Platz
in der Neustadt umzugestalten. Südlich der Altstadt, an der Muminov
ko'chasi, ist ein neuer Komplex mit administrativen Gebäuden entstanden
- eingerahmt von Springbrunnen und einer kleinen Open-Air Konzertbühne.
Buchara lebt hauptsächlich von der Baumwollverarbeitung und Verarbeitung
der Karakul (Persianer)-Felle. Anders als die Altstadt hat die Neustadt
kein richtiges Zentrum. Die Altstadt wirkt um das Labi-Hauz herum lebendig,
sonst hat man manchmal das Gefühl, in einem Freilichtmuseum zu sein,
obwohl die Altstadt nach wie vor bewohnt ist. Alle Medresen und Moscheen,
bis auf die Koranschule Miri-Arab sind Museen - oder eher Souvenirgeschäfte,
in denen sich natürlich nur wenige Bucharer aufhalten.
Chiwa - Leuchttürme in der Wüste
Die Oase Coresm, in der sich Chiwa (usbek. Xiva) und Urganch befinden,
liegt zwischen der Roten und der Schwarzen Sandwüste. Ihre Vegetationsreichtum
verdankt sie dem Amudarja und seinem weitverzweigten Kanalsystem. Ähnlich
wie der Nil in Afrika ist der Amudarja der fruchtbar machende Stom Mittelasiens,
sein mitgeführter Schlamm soll sogar noch besser als der Nilschlamm
sein. So hat man auch nur selten die Assoziation, mitten in der Wüste
zu sein. Nur wenn man mit dem Flugzeug in Urganch landet und den Sand
überflogen hat, merkt man, daß man sich tatsächlich an einer Oase befindet.
Heute leben in diesem Gebiet eine Million Menschen. Im Norden schließt
sich die Karakalpakische Autonome Republik an. Vor vielen Jahrhunderten
wurde Chiwa zu dem Ort, an dem durstige Reisende Rast machten. Mit Avicenna
und Al Biruni, dem Mathematiker, erlangte die Oase Choresm (usbek. Xorezm)
Weltruhm auf wissenschaftlichem Gebiet. Dann aber war die Stadt bis
ins 18. Jahrhundert ein Nest von gefürchteten Karawanenräubern, das
strategisch günstig mitten in der Wüste lag. Die Minarette der Stadt
lockten als Wüstenleuchttürme Karawanen an, welche eine bedeutende Steuereinnahmequelle
darstellten. Ende des 18. Jahrhunderts kam es - nachdem der Perser Nadir
Schah Mittelasien erobert hatte - zu einem plötzlichen Wiederaufleben
der kulturellen Aktivitäten in Chiwa. Schon 1715 interessierten sich
die Russen - auf der Suche nach einem kürzeren Weg nach Indien - für
die Oase, aber alle ihre Expeditionen scheiterten. Erst 1873 erkannte
der Chan von Chiwa doe Oberhoheit des Zaren an. Das heutige Chiwa hat
60.000 Einwohner, von denen 80 Prozent in der äußeren Stadt leben. Das
Leben der Chiwaer spielt sich auf dem Basar östlich der Altstadt ab.
Ansonsten hat die äußere Stadt kein Zentrum. In der Silhouette der Stadt
finden sich keine Hochhäuser, alles wirkt grün und ruhig. Auf den Straßen
ist nicht viel los. Wenn man in die Stadt fährt, sieht man zuerst verschiedene
Nutzpflanzen, die angebaut werden, neben Baumwolle, Reis und Sago natürlich
verschiedene Obstsorten. Aus Chiwa sollen die besten und süßesten Weintrauben
kommen, und die Chiwaer Melonen wurden schon im Mittelalter als Delikatessen
gehandelt und bis nach Bagdad exportiert. Auch heute schmecken sie wunderbar.